Nachhaltigkeit und Reisen – geht das überhaupt?

Bis vor knapp einem Jahr sah unser Leben noch etwas anders aus. Fleisch gab es zwar für mich schon seit Jahren nicht mehr. Aber wie viel Müll wir produzieren oder wie hoch die Stromrechnung ist, hat uns einfach nicht so sehr interessiert. Viel mehr ging es darum, welche Länder wir noch nicht gesehen haben, welches Auto wir uns leisten wollen und was wir noch alles erleben wollen, etc. Auf den Punkt gebracht: Das Thema Nachhaltigkeit war für uns einfach nicht so sehr präsent.

Ich meine schon, dass wir nicht komplett rücksichtslos durch die Welt liefen. Aber wir haben Dinge einfach nicht so hinterfragt, wie wir es heute machen. Wann und auch warum der große Wandel kam, kann ich überhaupt nicht sagen. Ich weiß nur noch, dass ich irgendwann mein Auto verkauft habe und testen wollte, ob ich es ein Jahr ohne fahrbaren Untersatz schaffe. Aber dabei ging es mir eher darum, dass mein Auto nicht mehr das neueste war und ich wusste, dass ich zu dem Zeitpunkt wenigstens noch ein bisschen Geld dafür bekomme. Erst am Ende von solchen Begründungen kam dann immer noch der Gedanke, dass es ja irgendwie auch nachhaltig ist. Aber ehrlicherweise habe ich mich in den ersten Wochen ohne Auto ständig damit beschäftigt, wie viel ich sparen muss um mir welches Auto in einem Jahr zu kaufen.

Ungefähr zu dieser Zeit wurde Fridays for Future ganz bekannt und ich habe ein Lastenrad von der Arbeit bekommen. Schon nach ein paar Wochen hatte ich mich so sehr mit Nachhaltigkeit beschäftigt, dass ich einen Autokauf mit meinem Gewissen überhaupt nicht mehr vereinbaren hätte können. Plötzlich hatte ich einfach ein ganz anderes Bewusstsein für meine Umwelt entwickelt. Und der Weg zu Zerowaste und vegan war dann auch nicht mehr weit.

Mobilität Nachhaltigkeit

Tierwohl dagegen beschäftigt mich schon immer. Noch mehr wird mir das bewusst, seit meine Hundedame Bounty bei mir lebt. Sie kommt von den Straßen Griechenlands und die Vorstellung, dass sie irgendwo halb verhungert lebt oder gar Versuche über sich ergehen lassen muss, ist für mich fast unerträglich. Also warum sollte das dann ein anderes Tier erleben müssen?

Wer nachhaltig lebt muss zuhause bleiben?!

Aber da war ja noch was. Wir sind beide eigentlich zwei Weltenbummler. Australien, USA, Asien, usw. haben wir alles schon auf unserer Bucketlist abgehackt. Und tatsächlich haben wir auch noch im letzten Jahr Flüge für diesen Dezember nach Südafrika gebucht. Jetzt sitzen wir also da mit unseren Tickets und einem völlig anderen Mindset als noch vor einem Jahr. Irgendwie freuen wir uns wahnsinnig auf die Reise und auf der anderen Seite haben wir ein schlechtes Gewissen.

Nachhaltiges Reisen

Das ist der Grund, warum wir trotzdem fliegen!

Ich habe mich in den letzten Wochen immer wieder gefragt, wie man so einen langen Flug, der eigentlich nicht sein müsste, rechtfertigen kann. Die Antwort ist: Gar nicht! Zumindest komme ich am Ende immer wieder auf dieses Ergebnis.

Klar denke ich mir, ich wäre nicht der Mensch, der ich heute bin, hätte ich nicht so viele unterschiedliche Kulturen und Länder gesehen. Vielleicht hätte ich überhaupt nicht den Weitblick, Dinge so zu beurteilen, wie ich es heute kann. Vielleicht würde ich heute das Thema Müll und Umwelt ganz anders beurteilen, hätte ich nie über den Tellerrand geblickt. Aber auch diese Argumentation reicht für mein Gewissen nicht aus, um mit einem guten Gefühl zu fliegen. Irgendwie fühlt sich so eine Argumentation nämlich ganz schön nach Ausrede an.

Tja, wir werden im Dezember trotzdem in den Flieger steigen. Einfach schon, weil alles gebucht ist und wir auch der Umwelt zu Liebe nicht in der Lage sind, unser Geld zum Fenster raus zu werfen. Mein Gewissen und ich haben uns mittlerweile darauf geeinigt, dass es wie mit allen Veränderungen im Leben ist. Sie brauchen eben Zeit und gehen nicht von heute auf morgen.

Wird fliegen überhaupt jemals nachhaltig?

Wir diskutieren hier immer noch, ob sog. Kompensationszahlungen für Flüge nur Greenwashing-Aktionen sind. Aber auch da sind wir geteilter Meinung. Ja es stimmt, zumindest wird an anderer Stelle wieder für die Umwelt investiert. Es kommt mir nur so vor, als ob man sich als Fluggast leider nur ein gutes Gewissen erkauft. Die ganzen Schadstoffe bläst das Flugzeug ja doch raus. Kompensationszahlung hin oder her. Und ganz ehrlich gesagt gebe ich mein Geld nur ungern dazu, wenn die Fluglinien selber so gut wie nichts unternehmen.

Im Moment wird über eine geplante Kerosinsteuer diskutiert. Ein erster Ansatz. Denn wenn ich unseren Flug jetzt anschaue, müssten wir dafür noch mal ca. 1800 € nur an Steuer oben drauf zahlen. Natürlich würde ich dann nicht mehr (so oft) fliegen. Was ich aber noch viel wichtiger finde, ist, dass man wohl auch einfacher auf die Bahn statt auf Inlandsflüge zurückgreift.

Je mehr ich mich mit dem Thema beschäftige, umso mehr wird mir einfach klar, dass sich am Fliegen etwas Grundsätzliches ändern muss. Klar können wir als Privatpersonen uns entscheiden unsere Reisen mit der Bahn anzutreten. Aber was ist mit dem restlichen Flugverkehr? Sämtliche Geschäftsreisen und der gesamte Gütertransport via Flugzeug kann ja nicht von heute auf morgen eingestellt werden. Gerade weil in den letzten Jahren immer mehr Menschen die Möglichkeit hatten überall hinzureisen, sind wir doch zu so einer globalisierten Welt geworden.

Die Verantwortung muss zurück zu Politik und Industrie

Grundsätzlich ärgert es mich maßlos, dass wir mit unserem kleinen Budget überhaupt in einen Gewissenskonflikt geraten. Wo ist bitte das schlechte Gewissen der Politik und der Industrie? Ihr solltet euch vor Scham grämen. Nicht, weil ihr aus unserer Welt das gemacht habt, was sie jetzt ist. Dafür waren wir alle zusammen verantwortlich. Sondern weil ihr euch aus Habgier und Profigeilheit jetzt weigert, etwas zu verändern. Ich kann noch so sehr auf Flüge und Plastik verzichten, wenn ihr nicht mit an einem Strang zieht und etwas verändern wollt. Der große Unterschied ist wohl, dass es für mich nicht um Macht und Geld geht, sondern um meine Zukunft.